Inhaltsverzeichnis
- 1 Historischer Hintergrund von Intelligenztests (IQ-Tests)
- 1.1 Die Entwicklung der sozialen Klassen und die Entstehung der Intelligenzmessung:
- 1.2 Universelle Schulbildung: Ein Katalysator für die Messung von Intelligenz:
- 1.3 Das Aufkommen der Psychologie und die Werkzeuge der Intelligenzanalyse:
- 1.4 Herausforderungen bei der Intelligenzmessung:
- 1.5 Schlussfolgerung:
- 2 Was wird bei einem Intelligenztest gemessen?
- 3 Intelligenztest und Intelligenzquotient
- 4 Der g‑Faktor
- 5 Skepsis unter den Wissenschaftlern am Konzept der Intelligenz
Historischer Hintergrund von Intelligenztests (IQ-Tests)
Jahrtausendelang kam der Mensch nicht auf die Idee, seine Intelligenz zu messen, geschweige einen Intelligenztest zu entwickeln. Die Frage danach, wie schlau jemand genau ist, wurde erst relevant, als soziale Schichten zunehmend durchlässiger wurden, was Begabten erstmals einen Aufstieg ermöglichte. Dazu musste eine allgemeine Schulbildung kommen, die wirklich alle Kinder erreichte – und eine Wissenschaft wie die Psychologie, die Instrumente zur Untersuchung des menschlichen Geistes entwickelte.
Der erste Intelligenztest wurde denn auch auf Geheiß eines Erziehungsministers entwickelt, um Kinder identifizieren zu können, die im normalen Schulunterricht nicht mitkamen. Das war in Frankreich, und die Psychologen Alfred Binet und Théodore Simon lieferten dem Minister um 1905 das gewünschte Produkt. Ihr Test war ein sensationeller Erfolg. Auf der ganzen Welt sind seither Dutzende Fragebatterien in der Tradition des Binet-Tests entstanden. Viele Länder, von den großen USA bis zu den kleinen Niederlanden, ließen bald jeden neuen Rekrutenjahrgang auf seinen IQ testen.
Die Entwicklung der sozialen Klassen und die Entstehung der Intelligenzmessung:
In der Antike war das Konzept der Intelligenzmessung noch ein ferner Gedanke. Die sozialen Strukturen waren oft starr, und die Mobilität zwischen den Klassen war begrenzt. Begabte Menschen waren unabhängig von ihren intellektuellen Fähigkeiten auf die Grenzen ihrer sozialen Schicht beschränkt. Erst als die sozialen Schichten durchlässiger wurden, ergab sich die Möglichkeit eines Aufstiegs. Der Wunsch, Talente zu erkennen und zu fördern, wurde zu einem vorrangigen Anliegen und führte dazu, dass eine Messgröße zur Quantifizierung der Intelligenz benötigt wurde.
Universelle Schulbildung: Ein Katalysator für die Messung von Intelligenz:
Die Einführung der allgemeinen Schulbildung war ein entscheidender Moment in der Geschichte der Menschheit. Es war der erste systematische Versuch, allen Menschen Bildung zukommen zu lassen und dabei gesellschaftliche Unterschiede zu überwinden. Diese Demokratisierung der Bildung wurde von der Überzeugung getragen, dass Intelligenz nicht auf eine bestimmte Klasse oder Abstammung beschränkt ist. Die Herausforderung bestand jedoch darin, diejenigen mit außergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten unter der vielfältigen Schülerschaft zu identifizieren.
Das Aufkommen der Psychologie und die Werkzeuge der Intelligenzanalyse:
Während sich die allgemeine Schulbildung durchsetzte, blühte das wissenschaftliche Gebiet der Psychologie auf. Psychologen versuchten, die Geheimnisse des menschlichen Geistes zu entschlüsseln, und die Intelligenz wurde zu einem zentralen Untersuchungsgegenstand. Die Entwicklung von standardisierten Tests und Bewertungsinstrumenten wurde für die objektive Messung kognitiver Fähigkeiten von entscheidender Bedeutung.
Psychometrische Tests, wie der bahnbrechende IQ-Test von Alfred Binet, wurden entwickelt, um die Intelligenz auf eine standardisierte Weise zu quantifizieren. Diese Tests zielten darauf ab, die kognitiven Fähigkeiten, die Problemlösungskompetenz und das logische Denkvermögen einer Person zu bewerten. Die Einführung statistischer Methoden ermöglichte die Normalisierung der Ergebnisse und damit Vergleiche zwischen verschiedenen Populationen.
Herausforderungen bei der Intelligenzmessung:
Der Weg vom Fehlen einer Intelligenzmessung zur Entwicklung psychometrischer Instrumente war nicht ohne Herausforderungen. Die Debatten über kulturelle Voreingenommenheit, sozioökonomische Faktoren und das Wesen der Intelligenz an sich sind nach wie vor aktuell. Die Komplexität der menschlichen Kognition widersetzt sich einer einfachen Kategorisierung, und die Versuche, sie in einen einzigen numerischen Wert zu fassen, haben zu anhaltenden Kontroversen geführt.
Schlussfolgerung:
Das Bestreben, Intelligenz zu messen, ergab sich aus der sich entwickelnden Dynamik der sozialen Strukturen und dem Wunsch nach Chancengleichheit. Die allgemeine Schulbildung und die wissenschaftliche Disziplin der Psychologie lieferten die notwendige Grundlage für die Entwicklung von Intelligenztests. Doch auch wenn wir weiterhin die Feinheiten des menschlichen Geistes entschlüsseln, bleiben die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Intelligenzmessung bestehen. Der Weg von der sozialen Mobilität zu psychometrischen Fähigkeiten ist eine fortwährende Erkundung, die uns daran erinnert, dass das Streben nach einem Verständnis der Intelligenz ebenso komplex und nuanciert ist wie die Köpfe, die wir zu messen versuchen.
Was wird bei einem Intelligenztest gemessen?
Wichtig ist: Ein einziger IQ-Test kann nie sicher Intelligenz messen, schon allein deshalb nicht, weil das Ergebnis von der Tagesform abhängt. Wen die eigene kognitive Leistungsfähigkeit interessiert, der sollte sich unter Aufsicht von Experten am besten Tests verschiedenen Designs stellen.
Für Kinder aus bildungsfernen Haushalten empfehlen Lernforscher einen Matrizentest, etwa wenn unklar ist, ob am Ende der Grundschule eine Gymnasialempfehlung ausgesprochen werden soll. Dieser Test funktioniert statt mit Sprache mit geometrischen Formen. Kulturunabhängig sind die Matrizen dennoch nicht, wie die Forschung gezeigt hat: In der Lebenswelt von Indianerkindern im Regenwald kommen keine regelmäßigen Kreise, Dreiecke oder Quadrate vor.
Es gibt aber auch gute Gründe gegen IQ-Tests bei Kindern. Blitzmerker könnten sich auf dem Ergebnis ausruhen, weniger Begabte dagegen komplett entmutigt fühlen. Fleiß und Einsatz können im Ergebnis aber manchen IQ-Unterschied eindeutig wettmachen, wie das Forscherteam Elsbeth Stern aus Zürich und Aljoscha Neubauer aus Graz eindrucksvoll bezeugt. Die beiden empfehlen Personalchefs, bei der Besetzung einer Stelle demjenigen Kandidaten den Vorzug zu geben, der nachweislich Erfahrung und Expertise für die Position mitbringt – auch wenn dessen IQ geringer ist als der einer Mitbewerberin ohne Erfahrung.
Die meisten IQ-Tests bestehen aus verschiedenen Aufgabentypen oder „Subtests“. Darin werden sprachliche Fähigkeiten etwa über Analogien getestet („dunkel zu hell ist wie nass zu ?“). Es gibt den Typ „Gemeinsamkeiten finden“ („Welches Wort passt nicht in die Reihe Tisch, Stuhl, Vogel, Schrank, Bett?“), Aufgaben zum Wortschatz sowie zum mathematischen und räumlich visuellen Denken. Zu Letzterem gehören Bilder mit Würfeln, die im Geist gedreht werden müssen, oder Abbildungen geometrischer Elemente, die zusammengesetzt Figuren ergeben. Bei den Tests läuft stets die Uhr.
Die Anzahl der von der Testperson gelösten Aufgaben werden mit einem an einer großen, repräsentativen Stichprobe gemessenen Mittelwert verglichen. Diese Stichprobe erfasst Gleichaltrige, mit deren Ergebnis das individuelle Resultat in Beziehung gesetzt wird.
Intelligenztest und Intelligenzquotient
Über den Vergleich mit dem Mittelwert wird der Intelligenzquotient errechnet. Ein Beispiel: Wenn alle getesteten Zwölfjährigen im Mittel 58 von insgesamt 79 Aufgaben richtig lösen, Klara aber 7 mehr geschafft hat, dann hat sie einen IQ von 115. Ihre 7 extra gelösten Aufgaben entsprechen einer sogenannten Standardabweichung: eine Maßeinheit, die beschreibt, um wie viel höher oder niedriger als das Mittelmaß man liegt. In diesem Test läge die Standardabweichung bei 7 Aufgaben. Anna, die 14 Aufgaben mehr als im Mittel gelöst hat, käme auf einen IQ von 130. Die Rechnung geht so: Klara liegt mit ihrem Ergebnis eine Standardabweichung (sprich: 15 Punkte) über dem Mittelwert von 100, auf den alle Tests stets genormt werden. Also: 100 plus 15 macht einen IQ von 115. Bei Anna wären es zwei Standardabweichungen: zweimal 15 macht 30, zusammen mit 100 sind das 130.
Der IQ folgt der sogenannten Normalverteilung: Die meisten Menschen gruppieren sich um den Mittelwert 100. Knapp 70 Prozent der Bevölkerung liegt zwischen 85 und 115 IQ-Punkten.
Nur rund zwei Prozent der Bevölkerung kommen auf weniger als 70 IQ-Punkte. Genauso wenige erreichen das Merkmal Hochbegabung, für das ein IQ ab 130 Richtwert ist.
Der g‑Faktor
So unterschiedlich die Aufgabentypen sind, sie erfordern überwiegend dieselben kognitiven Fähigkeiten. Dies stellte der britische Psychologe Charles Spearman schon 1904 fest: Ihm fiel auf, dass die meisten Menschen in den verschiedenen Teilbereichen – sprachlich, mathematisch, räumlich-visuell – zwar nicht gleich gut abgeschnitten haben, aber doch auffällig ähnlich gut. Daraus folgerte Spearman, dass es eine gemeinsame Intelligenzressource geben müsste, auf die alle Teilleistungen zurückgreifen. Er nannte sie „g“ für „general factor“.
Andere Theorien nennen diesen allgemeinen Faktor auch die „fluide“ (flüssige) im Gegensatz zur „kristallinen“ (verfestigten) Intelligenz – diejenige, die auf Wissen und Erfahrung zurückgreift. Viele Intelligenztests rekurrieren auf beide Bereiche. Bei Kindern kommt mehr die fluide Intelligenz zum Tragen, im Alter gewinnt die kristalline an Bedeutung. Insbesondere der Wortschatz, ein guter Indikator für die kristalline Intelligenz, wächst lange an und bleibt oft bis ins hohe Alter erhalten.
Spearmans Theorie ist seitdem durch eine Flut von Untersuchungen bestätigt worden: Es gibt, ganz klar, eine allgemeine Intelligenz, die immer wirksam wird, wenn wir mental Probleme lösen, wenn wir lernen, schreiben, analysieren, rechnen. Und diese Intelligenz, also der G‑Faktor, hat eine deutlich höhere Erblichkeit als die eher spezifischen Fähigkeiten. Neuropsychologen konnten messen, welche Gehirneigenschaften Personen mit hohem G‑Faktor auszeichnet – sie wissen dagegen nicht genau, welche strukturellen Eigenschaften Gehirne von ausgemachten Sprach- oder Mathegenies haben.
Skepsis unter den Wissenschaftlern am Konzept der Intelligenz
Die Erforschung der Intelligenz ist eine mehr als hundertjährige Erfolgsgeschichte der Psychologie. Eine enorme Fülle von Studien aus den vergangenen 20 Jahren bestätigt eindrucksvoll die Aussagefähigkeit von Intelligenztests: Sie gehören zu den besten diagnostischen Instrumenten der Psychologie.
Dennoch herrscht selbst bei vielen Psychologen erstaunliche Skepsis gegenüber dem IQ. Zwei eigentlich eng verwandte Zweige – die Begabungsforscher und die Intelligenzforscher – ignorierten sich hartnäckig gegenseitig, klagt der österreichische Psychologe Aljoscha Neubauer, eine der international führenden Kapazitäten auf beiden Gebieten. Begabungsforscher würden Studien zur Bedeutung des IQ missachten, und Intelligenzforscher scherten sich wenig um Begabungsfaktoren wie Selbstdisziplin, Durchhaltevermögen oder Motivation.