„André Breton und sein Roman ‚L’Amour Fou‘: Ein Experiment einer KI-Illustration“ (Teil 1)

Vorwort

André Bre­ton, der als intel­lek­tu­el­ler Anfüh­rer des Sur­rea­lis­mus gilt, präg­te nicht nur die Bewe­gung durch sei­ne Mani­fes­te, son­dern auch durch sei­ne lite­ra­ri­schen Wer­ke. Der Weg von sei­ner Dada-Zeit bis zur Ent­ste­hung des Sur­rea­lis­mus war geprägt von einem inten­si­ven Stre­ben nach künst­le­ri­scher Frei­heit und der Ent­fes­se­lung des Unbe­wuss­ten.
Der Titel selbst, ‚L’A­mour Fou‘, über­setzt als ‚Ver­rück­te Lie­be‘, gibt bereits einen Hin­weis auf die The­ma­tik des Romans. Bre­ton erforscht die irra­tio­na­len, inten­si­ven Aspek­te der Lie­be, die über die kon­ven­tio­nel­len Gren­zen hin­aus­ge­hen. Das Werk ist geprägt von sur­rea­lis­ti­schen Ele­men­ten, in denen Traum und Rea­li­tät ver­schmel­zen. Die Cha­rak­te­re tau­chen ein in das Unbe­wuss­te, und die Lini­en zwi­schen Wirk­lich­keit und Fan­ta­sie ver­schwim­men.
Ein zen­tra­les sur­rea­lis­ti­sches Ele­ment in ‚L’A­mour Fou‘ ist die Anwen­dung der auto­ma­ti­schen Schreib­wei­se. Bre­ton und sei­ne Prot­ago­nis­ten las­sen den Stift frei über das Papier wan­dern, ohne bewuss­te Kon­trol­le. Die­ser Akt des auto­ma­ti­schen Schrei­bens ermög­licht einen direk­ten Zugang zum Unbe­wuss­ten und ver­leiht dem Roman eine unvor­her­seh­ba­re, poe­ti­sche Dimen­si­on.
Ein wei­te­rer fes­seln­der Aspekt des Romans sind die Frau­en­fi­gu­ren, die eine zen­tra­le Rol­le spie­len. Bre­ton por­trä­tiert die Frau­en nicht nur als Lie­bes­ob­jek­te, son­dern als star­ke, eigen­stän­di­ge Per­sön­lich­kei­ten. Ihre Bezie­hun­gen zu den männ­li­chen Cha­rak­te­ren spie­geln oft die Span­nun­gen und Wider­sprü­che der Lie­be wider.
Die Ver­bin­dung von Sur­rea­lis­mus und Ero­tik ist in ‚L’A­mour Fou‘ unüber­seh­bar. Bre­ton erkun­det die ero­ti­sche Dimen­si­on der Lie­be und lässt die Gren­zen zwi­schen Lust und Schmerz ver­schwim­men. Die Dar­stel­lung der Lie­be als impul­siv, unkon­trol­lier­bar und manch­mal sogar zer­stö­re­risch fügt dem Werk eine wei­te­re sur­rea­lis­ti­sche Ebe­ne hinzu.

Der Versuch einer Illustration des Romans „L’Amour Fou“

Dem Roman sind bereits Abbil­dun­gen hin­zu­ge­fügt, die den Ein­druck des geschrie­be­nen Wor­tes unter­stüt­zen und erwei­tern sol­len. Hier wird nun ein Ver­such unter­nom­men – unter Zuhil­fe­nah­me der moder­nen KI – sur­rea­le Bil­der und Phan­ta­sien, aber auch rea­le Ereig­nis­se von Bedeu­tung aus sei­nem Roman zu illus­trie­ren. Die Aus­wahl der Sze­nen ist spon­tan erfolgt und beruht nicht aus einer bestimm­ten Sys­te­ma­tik her­aus. Ein Schwer­punkt wur­de jedoch auf die Illus­tra­ti­on des Gedich­tes „Tour­ne­sol“ gelegt, das auf „sur­rea­le“ (sic!) Art die Begeg­nung Bre­tons mit einer jun­gen Frau wider­spie­gelt und vor­weg­nimmt.
Die Illus­tra­tio­nen wur­den mit der KI „Mid­jour­ney“ erstellt. Es wur­den kei­ne Ori­gi­nal­vor­la­gen ver­wen­det. Alle prompts wur­den von mir selbst erstellt.
Die geneig­te Lese­rin und der geneig­te Leser mögen sich selbst ein Urteil bil­den, inwie­weit die­ses Expe­ri­ment gelun­gen ist, oder ob über­haupt ein sol­ches Vor­ha­ben gerecht­fer­tigt sein kann. Bit­te benut­zen Sie dazu die Kom­men­tar­funk­ti­on mög­lichst ausführlich. 

In den Anfüh­rungs­zei­chen fin­det man die den Illus­tra­tio­nen ent­spre­chen­den Zita­te aus dem Roman.

„Schlüssel-Träger“ – Sie tragen die Schlüssel zu den Lebenslagen

„Es ist die­sen Gestal­ten eigen­tüm­lich, daß sie mir schwarz geklei­det erschei­nen – ver­mut­lich tra­gen sie einen Frack.; ihre Gesich­ter sind nicht zu erken­nen; es müs­sen sie­ben oder neun sein -, sie sit­zen neben­ein­an­der auf einer Bank und unter­hal­ten sich, die Köp­fe steif emporgereckt.“

L'Amour Fou

Psychoanalyse

„Beim Anbruch der Nacht, und oft auch sehr viel spä­ter noch (ich ver­heh­le mir nicht, dass die Psy­cho­ana­ly­se hier ein Wort mit­zu­re­den hät­te), fin­de ich sie wie­der, als ob sie einem Ritus gehorch­ten, wie sie im Gän­se­marsch, …, wort­los am Mee­res­ufer wandern.“

L'Amour Fou Sieben Herren Strand

Es sind die Frauen, die er geliebt hat, die ihn geliebt haben … 

„Plötz­lich aber – soll­te das die näm­li­che Bank wie vor­hin sein, gleich­viel, oder die Wand­bank in einem Café? – ist die Büh­ne wie­der ver­sperrt. Dies­mal ist, was sie ver­sperrt, eine Rei­he von Frau­en: auch sie sit­zend, in hel­len Klei­dern, wie sie ergrei­fen­der nie getra­gen wurden.“

L'Amour Fou Sieben Frauen

„Und nicht nur die­ser Par­al­le­lis­mus der bei­den Grup­pen von Män­nern und Frau­en, die ich soeben, nicht ohne Will­kür, ein­an­der gleich­ge­ord­net auf­tre­ten ließ, legt mir die Annah­me nahe, daß der Betref­fen­de – der doch auf­ge­for­dert ist, in all den Gesich­tern die­ser Män­ner zuletzt nur sich selbst zu erken­nen – des­glei­chen in all den Gesich­tern die­ser Frau­en nur ein Gesicht ent­de­cken wird: das zuletzt gelieb­te Gesicht.“

„Die sinnliche Macht, die über alle Bereiche meines Geistes herrscht…“

„… die Koral­len, wenn ich sie nur, wie sich‚s gebührt, dem Leben zurück­er­stat­te, im Spie­gel­glanz des Mee­res. Das Leben, in sei­nem unauf­hör­li­chen Pro­zess des Bil­dens und Zer­stö­rens, bie­tet sich, scheint mir, dem mensch­li­chen Auge nir­gends anschau­li­cher dar als umfrie­det von den Blau­mei­sen-Hecken des Ara­go­ni­ten und der Schatz-Brü­cke des aus­tra­li­schen Gro­ßen Barriereriffes.“

L'Amour Fou Korallenriff

Rimbaud „La Rivière de Cassis“ („Der Johannisbeerbach“)

„Ich erin­ne­re mich, daß Paul Valé­ry wäh­rend des ers­ten Besu­ches, den ich ihm mit sieb­zehn Jah­ren abstat­te­te, vor allem wis­sen woll­te, was mich ver­an­laß­te, mich der Dich­tung zu wid­men, und daß mei­ne Ant­wort damals schon aus­schließ­lich in die­se Rich­tung ging: ich sei, sag­te ich, nur dar­auf bedacht, sol­che Zustän­de zu schaf­fen (mir zu ver­schaf­fen?), die denen gleich­kä­men, wel­che gewis­se poe­ti­sche Sät­ze und Bil­der an ent­le­ge­nen Stel­len in mir her­vor­ge­ru­fen hät­ten. Auf­fäl­lig und bewun­derns­wert ist es, daß sol­che Zustän­de voll­kom­me­ner Emp­fäng­lich­keit im Lau­fe der Zeit kei­ne Abschwä­chung erlei­den, denn unter den Bei­spie­len, die ich heu­te für die­se kur­zen For­meln wäh­len wür­de, wel­che eine magi­sche Wir­kung auf mich aus­üben, keh­ren meh­re­re wie­der, die ich Valé­ry bereits vor zwan­zig Jah­ren nann­te. Das waren, unzweifelhaft, 

„Mais que salub­re est le vent!“
„Doch wie der Wind jetzt heilt!„
aus „La Riviè­re de Cas­sis“ von Rim­baud.

L'Amour Fou Rimbaud Cassis

Das Manifest der konvulsivischen Schönheit

“ … soll­te man die neue Schön­heit auf­su­chen -, die „ein­zig um der Lei­den­schaft und ihrer Zie­le wil­len“ schön zu hei­ßen ver­dient. Ich schä­me mich durch­aus nicht, hier zu geste­hen, daß ich gänz­lich unemp­find­lich bin für Natur­schau­spie­le oder Kunst­wer­ke, die nicht im Akt der Wahr­neh­mung unver­züg­lich eine kör­per­li­che Erre­gung in mir aus­lö­sen, wel­che sich durch ein Sprü­hen und Wehen an den Schlä­fen bemerk­bar macht und bis zu einem wirk­li­chen Frös­teln gehen kann. Ich war stets außer­stan­de, die­ses Gefühl nicht mit dem der ero­ti­schen Lust in Ver­bin­dung zu brin­gen, und ich kann zwi­schen bei­den nur Unter­schie­de des Gra­des ent­de­cken.“
„Die Defi­ni­tio­nen Lau­tré­a­monts, die mit „schön wie“ begin­nen, sind gera­de­zu das Mani­fest der kon­vul­si­vi­schen Schön­heit.“
„Die Augen, die nichts mehr aus­drü­cken als unter­schieds­los Ver­zü­ckung, Rase­rei und Grau­en, sind die Augen von Ner­vals Isis.“

L'Amour Fou Isis

Bewegung die zum Stillstand kommt

„Ich bedau­re, daß es mir nicht mög­lich war, in Ergän­zung zu den übri­gen Illus­tra­tio­nen die­ses Buches, die Pho­to­gra­phie einer Loko­mo­ti­ve gro­ßen Stils geben zu kön­nen, die man Jah­re hin­durch dem Deli­ri­um des Urwalds über­las­sen hät­te. Ganz abge­se­hen davon, daß der Wunsch, so etwas zu erbli­cken, mich seit lan­gem in eine eigen­tüm­li­che Erre­gung ver­setzt, scheint mir, der sicher magi­sche Anblick die­ses Denk­mals des Sie­ges und der Kata­stro­phe wäre mehr als jeder ande­re danach ange­tan gewe­sen, unmiß­ver­ständ­lich erken­nen zu las­sen, wor­um es mir geht …“

L'Amour Fou Lok Urwald

Die Grotte des Fées

„„Aber­mals in einer Höh­le, der Grot­te des Fées bei Mont­pel­lier, wo man zwi­schen Wän­den aus Quarz wan­dert, setzt das Herz für Sekun­den aus beim Anblick jenes rie­si­gen mine­ra­li­schen Man­tels, der „Kai­ser­man­tel“ genannt, des­sen Fal­ten­wurf auf ewig der Kunst des Bild­hau­ers spot­tet und den das Licht eines Schein­wer­fers mit Rosen bedeckt, gleich­sam damit er auch in die­ser Hin­sicht dem doch so präch­ti­gen und kon­vul­si­vi­schen Man­tel nichts zu nei­den hät­te, der aus der unend­li­chen Wie­der­ho­lung der ein­zi­gen klei­nen roten Feder eines sel­te­nen Vogels bestand und den die ehe­ma­li­gen Häupt­lin­ge auf Hawaii trugen.“

L'Amour Fou Grottes des Fees Rosen

Zufallsfunde als Katalysatoren

Bre­ton beschäf­tig­te sich sehr mit – teil­wei­se zunächst völ­lig unschein­ba­ren – Din­gen, die eine Art Zufalls­fund waren, so z.B. ein Holz­löf­fel auf einem Floh­markt. Die­se stell­ten sich für ihn im Nach­hin­ein als eine Art Kata­ly­sa­tor dar, die ande­re Ereig­nis­se in sei­nem Leben in Gang brach­ten oder ihnen eine beson­de­re Bedeu­tung ver­lie­hen. Ande­re traum­ähn­li­che Phan­ta­sien oder Erin­ne­run­gen konn­ten den­sel­ben Zweck erfül­len, wenn man sie in ein rea­les Kunst­werk umwan­deln würde.

„Eini­ge Mona­te frü­her waren ein Satz­frag­ment beim Erwa­chen: „le cen­drier Cen­dril­lon“ („der Aschen­be­cher Aschen­put­tel“) und die Ver­su­chung, die mich seit lan­gem anwan­delt, traum­haf­te oder traum­ähn­li­che Gegen­stän­de in Umlauf zu set­zen, der Anlaß gewe­sen, daß ich Gia­co­metti gebe­ten hat­te, mir, ganz nach sei­ner Lau­ne einen klei­nen Pan­tof­fel zu model­lie­ren, der im Grun­de Aschen­put­tels ver­lo­re­ner Pan­tof­fel gewe­sen wäre. Mei­ne Absicht war, die­sen Pan­tof­fel in Glas gie­ßen zu las­sen und sogar, wenn ich mich recht ent­sin­ne, in grau­em Glas, um mich sei­ner dann als Aschen­be­cher zu bedienen.“

L'Amour Fou Aschenputtel Pantoffel Aschenbecher

Quellen:

  • Bre­ton, André. „L’A­mour Fou“, Suhr­kamp Ers­te Auf­la­ge 1975 (alle Zita­te). Ori­gi­nal 1937.
  • Bre­ton, André. „Mani­fes­te du sur­ré­a­lis­me“, 1924.)
  • Freud, Sig­mund. „Die Traum­deu­tung“, 1899. (Hier mehr zu „Psy­cho­ana­ly­se – Tiefenpsychologie“)
  • Spies, Wer­ner. „André Bre­ton: Magus des Sur­rea­lis­mus“, 1995.

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