„Eine romantische Liebe: André Breton und sein Roman ‚L’Amour Fou‘(Teil 3)

In die­sem drit­ten Teil unse­res Expe­ri­men­tes, den Roman „L’A­mour Fou“ von André Bre­ton mit Hil­fe einer KI zu illus­trie­ren, stei­gen wir in der Beschrei­bung des Gedichts „Tour­ne­sol“ wie­der ein. Sie fin­den die­ses Gedicht – auch in deut­scher Über­set­zung – im lin­ken Blog­ab­schnitt die­ses Bei­tra­ges. Zur Erin­ne­rung: Bre­ton war nach einer Begeg­nung mit einer schö­nen Unbe­kann­ten auf ein von ihm 10 Jah­re zuvor geschrie­be­nes Gedicht – das mit „auto­ma­ti­sier­tem Schrei­ben ent­stan­den ist – gesto­ßen und hat­te an vie­len Stel­len selt­sa­me und bedeu­tungs­vol­le Par­al­le­len mit eben­die­ser Frau in sei­nem Roman her­vor­ge­ho­ben. Die­ser Vor­ge­hens­wei­se schlie­ßen wir uns an und fol­gen damit auch sei­ner eige­nen Vor­stel­lung, Phan­ta­sien und rea­le Ereig­nis­se mit Hil­fe von Foto­gra­fien oder Gegen­stän­den zu kommentieren.

André Breton – Küsse und Verführung

Les bai­sers de secours: Wie sehr die­se Küs­se hier auch den Brief­tau­ben ange­gli­chen sind, so bezeu­gen sie doch, auf die unver­hüll­tes­te Wei­se, die von mir emp­fun­de­ne Nöti­gung zu einer Gebär­de, deren ich mich den­noch ent­hal­te, eine Nöti­gung, die mit erwähn­ten wie­der­hol­ten Ste­hen­blei­ben auf der Stra­ße zusam­men­hängt. Die Küs­se befin­den sich nichts­des­to­we­ni­ger im Bereich des Mög­li­chen infol­ge ihrer Stel­lung zwi­schen den Brief­tau­ben (Vor­stel­lung einer mir gewo­ge­nen Per­son) und den Brüs­ten, von denen ich gegen Ende mei­nes Berich­tes geste­hen muß­te, daß sie mir jeden Mut zur Ent­sa­gung raubten.“

André Breton Küsse Tauben

Der Name einer Straße und ein hervorgerufenes Gefühl

Rue Gît-le-Cœur: Auch jeder Kom­men­tar zu dem Namen die­ser Stra­ße erüb­rigt sich, der in einem star­ken Kon­trast zu dem Gefühl steht, das sich in dem fol­gen­den Vers so rück­halt­los bekennt.“

André Breton

Brieftauben und die Post

Les pige­ons voy­a­ge­urs: Durch ihren Vet­ter, mit dem ich frü­her ein­mal im Gedan­ken­aus­tausch stand, hat­te sie, wie sie mir gestand, zum ersten­mal von mir spre­chen hören; er hat­te sie nach mei­nen Büchern begie­rig gemacht, und die­se wie­der­um hat­ten den Wunsch in ihr erregt, mei­ne Bekannt­schaft zu machen. Die­ser jun­ge Mann aber leis­te­te damals gera­de sei­nen Mili­tär­dienst ab, und eini­ge Tage zuvor hat­te ich einen Brief aus Sfax erhal­ten, der den Stem­pel des Cent­re colom­bo­phi­le (deutsch: Tau­ben­zucht-Zen­trum) trug, zu dem er abkom­man­diert war.“

André Breton Brieftauben

André Breton: Seine Unbekannte entpuppt sich als Tänzerin Quatorze Juilett

Les lam­pi­ons: Erst eini­ge Wochen nach unse­rer Begeg­nung erfuhr ich, daß der Direk­tor des music-hall, wo mei­ne Gefähr­tin in die­ser ers­ten Nacht auf­trat, sie eines Tages öffent­lich Qua­tor­ze Juil­let genannt hat­te und daß sie die­sen Spitz­na­men an jenem Unter­neh­men behal­ten hatte.“

André Breton L'Amour Fou music-hall Tänzerin

„Es wird dem Leser nicht ent­gan­gen sein, wie ich bei mei­ner ers­ten Annä­he­rung das Licht der Kas­ta­ni­en mit ihrem Haar in Ver­bin­dung brachte.“

Blumenmarkt in Paris

Une fer­me en plein Paris: Alles Länd­li­che bricht in die­sem Augen­blick in das Gedicht ein, als natür­li­che Lösung des­sen, was bis dahin nur ein dunk­ler Wunsch war. Selbst noch die Vor­stel­lung der Land­wirt­schaft, die in dem Wort fer­me ent­hal­ten ist, fand eine Recht­fer­ti­gung bei dem Anblick, den um die­se nächt­li­che Stun­de für einen flüch­ti­gen Augen­blick der Mar­ché auc Fleurs bietet.“

L'Amour Fou Marché aux fleurs Paris

Eifersucht – Die Frauen von André Breton

Les sur­venants (im Gegen­satz zu den revenants): Die Ängs­te, die sich in dem Gedicht von dem Auf­tre­ten die­ses Wor­tes an bekun­den (sei­ne unmit­tel­ba­re Wie­der­ho­lung, der bald dar­auf fol­gen­de Lap­sus, auf den bereits hin­ge­wie­sen wur­de), schei­nen mir von der Erre­gung aus­zu­ge­hen, die sich der Frau bemäch­tig­te, die damals mein Leben teil­te, als sie von die­ser Begeg­nung erfuhr und befürch­te­te, ich könn­te die Gesell­schaft einer neu­en Frau suchen (wäh­rend sie es dul­de­te, daß ich eine ande­re Frau, der ich eine gro­ße Anhäng­lich­keit bewahr­te, wie­der­zu­se­hen wünschte).“

Andre Breton Leona Delcourt

War es Leo­na Del­court, die die Part­ne­rin von André Bre­ton war in der Zeit, als die­se Bege­ben­hei­ten sich ereig­net haben? Wahr­schein­lich nicht, denn 1928 wur­de Del­court in die Psych­ia­trie ein­ge­lie­fert. Bre­ton hat sie nie besucht. Sie war jeden­falls die Frau, die hin­ter der Figur der „Nad­ja“ stand, dem wohl berühm­tes­ten Roman von Bre­ton. Wer nun aber die Frau war, auf die sich Bre­ton bezieht („die damals mein Leben teil­te“) konn­te ich nicht ermit­teln bzw. recher­chie­ren. Und wel­che Per­son steckt hin­ter der schö­nen Unbe­kann­ten, um die es hier in dem Gedicht geht? Es ist Jac­que­line Lam­ba, eine ver­ges­se­ne Künst­le­rin. Am 14. August 1934 hat Bre­ton sie geheiratet.

„Tournesol“ – ein prophetisches Gedicht

L’air de nager: Auch sehr viel spä­ter noch, nach­dem ich mich in der Gewiß­heit bestärkt hat­te, daß hin­sicht­lich aller übri­gen Stel­len das Gedicht „Tour­ne­sol“ als ein pro­phe­ti­sches Gedicht anzu­se­hen sei, hat­te ich mich bemer­kens­wer­ter­wei­se ver­geb­lich bemüht, die­se wun­der­li­che Beob­ach­tung auf­zu­lö­sen;…“
„Ich weiß nicht, was schuld war, daß der wah­re, der völ­lig ande­re Inhalt, die ganz unmit­tel­ba­re Bedeu­tung die­ser Wor­te mir so lan­ge ver­bor­gen blieb: die „Num­mer“ des music-hall, in dem die jun­ge Frau damals täg­lich auf­trat, bestand in einem Schwimm­akt. Eben in dem Maße, als l’air de nager für mich mit dem l’air de dan­ser einer schrei­ten­den Frau nicht über­ein­stimm­te, scheint es hier jenen Unter-Was­ser-Tanz zu bezeich­nen, den die­je­ni­gen mei­ner Freun­de, wel­che sie wie ich in der Fol­ge in dem glä­ser­nen Schwimm­be­cken erblick­ten, sie aus­füh­ren sahen.“

Andre Breton Aquarium

„Die Grille erhebt ihre Stimme, um all meine Zweifel zu zerstreuen.“

Le gril­lon: Weni­ge Tage spä­ter geschah es, daß ich in Paris zum ersten­mal eine Gril­le sin­gen hör­te; und zwar eben in dem Zim­mer, das der inspi­rie­ren­de Geist jener Früh­lings­nacht, die ich erzählt habe, bewohn­te. Das Fens­ter die­ses Zim­mers, in einem Hotel der Rue du Fau­bourg-Saint-Jac­ques ging auf den Hof der Mate­r­ni­té hin­aus, wo das Insekt sich ver­steckt hielt. Es fuhr dann fort, sich in der Fol­ge fast jeden Abend bemerk­bar zu machen.“
„Jeden­falls ist es nicht zu über­se­hen, daß die Gril­le, im Gedicht wie im Leben, ihre Stim­me erhebt, um all mei­nen Zwei­fel zu zerstreuen.“

Andre Breton Grille

Hier­mit schließt die eige­ne Inter­pre­ta­ti­on sei­nes Gedich­tes „Tour­ne­sol“ ab. Bre­ton meint zum Schluss:

„Der Leser möge zurück­blät­tern, bis zu die­ser beschwing­ten und rät­sel­haf­ten Sze­ne, deren Wert von jenen Wor­ten bestimmt wur­de, die nicht weni­ger befeh­lend klan­gen als die der Gril­le in dem Gedicht: „Ici, l’On­di­ne!“ Alles ver­läuft so, als ob die ein­zi­ge leib­haf­ti­ge Naja­de, die ein­zi­ge Undi­ne in Fleisch und Blut die­ser Geschich­te – ganz im Unter­schied zu der Ange­ru­fe­nen, die sich unter­des­sen anschick­te, das Lokal zu ver­las­sen – gar nicht umhin­ge­konnt hät­te, die­sem Anruf Fol­ge zu leis­ten, und als wei­te­rer Beweis des­sen sei noch erwähnt, daß sie um jene Zeit in dem Hau­se, das dem erwähn­ten Restau­rant, Ave­nue Rachel, genau gegen­über­liegt, eine Woh­nung zu mie­ten ver­such­te.“
„Am fol­gen­den 14. August wur­de die all­mäch­ti­ge Ver­an­stal­te­rin der nuit tour­ne­sol mei­ne Frau.“

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