Wenn wir uns mit dem Phänomen „Depression“ und der Frage nach den Ursachen einer Depression beschäftigen, stellen wir fest, dass sehr viele unterschiedliche Erklärungen, Definitionen und Betrachtungsweisen existieren. Das liegt daran, dass die Experten auf diesem Gebiet immer aus der Sicht ihres eigenen Fachbereiches vorgehen: so wird ein Neurologe eher die Hirnstrukturen und-vorgänge heranziehen; ein Genetiker die genetischen Einflüsse, ein Soziologe die gesellschaftlichen Hintergründe etc. etc. Deswegen ist es mir ein Anliegen, meine eigenen Grundannahmen als Psychologe transparent zu machen. Ich habe dabei keinen Alleinerklärungsanspruch.
Folgende Grundannahmen bilden den Hintergrund für alle weiteren Überlegungen bzw. Beiträge:
Inhaltsverzeichnis
- 1 1. „Nichts existiert unabhängig (Dalai Lama)“
- 2 2. „Eine Depression ist immer auch eine Beziehungsstörung“
- 3 3. „Eine Depression ist kein „Ding“, sondern ein Prozess.“
- 4 4. „Eine Depression ist immer Ausdruck eines inneren Konfliktes.“
- 5 5. „Bei einer Depression spielen unterdrückte Emotionen und Gefühle eine große Rolle.“
1. „Nichts existiert unabhängig (Dalai Lama)“
Eine Depression ist immer ein Teil der Gesamtpersönlichkeit. Die Ursachen einer Depression sollten also nicht unabhängig oder losgelöst davon betrachtet werden. Dies steht z.B. im Gegensatz zu einigen Ansätzen in der Neuropsychologie, die Depressionen mit bestimmten Hirnstrukturen verknüpfen wollen, so als ob eine Depression im Gehirn „verortet“ werden könnte. Diese Betrachtungsweise lehne ich ab.
2. „Eine Depression ist immer auch eine Beziehungsstörung“
Der Mensch ist ein soziales Kontaktwesen. Durch den Kontakt mit Anderen und seiner Umgebung wird er definiert und definiert er sich selbst. Wenn Störungen oder Blockaden in diesem Kontaktprozeß auftauchen, kann sich daraus eine Depression entwickeln. Umgekehrt ist eben eine Depression immer auch Ausdruck einer solchen Störung. Diese Störungen können beschrieben und verstanden werden und bilden auch die Ursachen einer Depression ab.
3. „Eine Depression ist kein „Ding“, sondern ein Prozess.“
Die Sichtweise auf die Depression im Sinne von „Ich habe eine Depression“ ist irreführend. Eine Depression ist nicht etwas – ein wenig salopp ausgedrückt – was ich in einer Alditasche mit mir herumschleppe. Es ist deswegen klarer, von einem depressiven Prozess zu sprechen. Wir bleiben trotzdem bei dem Substantiv, da es sich so eingebürgert hat; bitte denken Sie dann aber immer daran, was wirklich damit gemeint ist.
4. „Eine Depression ist immer Ausdruck eines inneren Konfliktes.“
Diese These schließt unmittelbar an These 2 an, wo wir den Beziehungen, die eine Person unterhält, einen entscheidenden Einfluss auf die Ursachen einer Depression zugeschrieben haben. Diese Beziehungen spiegeln sich immer auch in Form eines inneren Konfliktes einer Person wieder. Meist kann ein solcher Konflikt wie folgt beschrieben werden: „Andere Menschen haben Erwartungen an mich. Ich selbst stelle Erwartungen an andere Menschen. Dabei kann eine mehr oder weniger große Diskrepanz entstehen.“ Wie ein Mensch mit dieser Diskrepanz umgeht ist schließlich das entscheidende: bei einem Scheitern, für diesen Konflikt eine einigermaßen angemessene Lösung zu finden, kann sich eine Depression entwickeln.
5. „Bei einer Depression spielen unterdrückte Emotionen und Gefühle eine große Rolle.“
Der Zusammenhang zwischen zurückgehaltener Wut bzw. Aggression und Depression ist schon oft beschrieben worden. Meines Erachtens wird dies aber auch heute noch in der Sichtweise auf eine Depression und v.a. ihre Behandlung viel zu wenig berücksichtigt. Dies gilt auch für andere Gefühle, wie Scham oder Trauer. Wenn solche Gefühle auf Dauer zurückgehalten oder „kaschiert“ werden, ist die Wahrscheinlichkeit, eine Depression zu entwickeln, hoch. Die Ursachen einer Depression haben also auch mit der Art und Weise, wie jemand mit seinen Emotionen umgeht, zu tun.
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