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Was hat es auf sich mit der Langeweile?
Es ist schon frappierend, wie häufig einem der Begriff „Langeweile“ über den Weg läuft. Auch das Internet ist voll davon. Aber das Phänomen der Langeweile wird fast immer unter einem bestimmten Gesichtspunkt betrachtet: es sei ein unerträgliches Gefühl, das man schnell loswerden müsse. Es werden Tipps, Ratespiele und Beschäftigungsvorschläge en masse angeboten. Vor allem Kinder dürfen sich nicht langweilen, weil das dann wieder die Eltern nervt. Dieser Ansatz ist aus psychologischer Sicht grundfalsch.
Moderne Hirnforschung und Langeweile
Zunächst einmal sagt uns die moderne Hirnforschung, dass in dem Moment, in dem keine Reize von außen zur Verfügung stehen, das Gehirn selbst beginnt, Aktivitäten zu entfalten, mit denen z.B. unsere Phantasie angeregt wird. Es sorgt also gewissermaßen für sich selbst. Dabei ist entscheidend, dass der Organismus immer versucht, mit seiner Umwelt Kontakt aufzunehmen – und sei es mit Hilfe der Kraft der eigenen Vorstellung. Normalerweise nennen wir dies auch „Bedürfnisbefriedigung“. Nur: dies Bedürfnis muss auch wahrgenommen werden. Und genau an diesem Punkt passiert häufig etwas Seltsames. Das Aufkommen eines Bedürfnisses kann nämlich blockiert werden. Diese Blockade führt dann schließlich dazu, dass der natürliche Organismus-Umwelt-Kontakt nicht mehr funktioniert: ich habe Lust auf einen Apfel, ich überlege, wo ich den jetzt bekommen kann, ich überwinde mögliche Hindernisse (gehe zur Bank, um Geld abzuheben), ich besorge mir den Apfel, esse ihn genussvoll und bin schließlich mit dem Ergebnis auch zufrieden, d.h. ich kann einen Moment passiv sein – bis wieder ein neues Bedürfnis auftaucht.
Langeweile und Bedürfnisse
Dieser Prozess wird unterbrochen, wenn ein ursprüngliches Bedürfnis nicht in den Vordergrund treten darf. Dies geschieht dann, wenn der Befriedigung des Bedürfnisses etwas im Wege steht, was mit unangenehmen Gefühlen oder unangenehmen Gedanken verbunden ist. Oft ist dies ein Gefühl der Enttäuschung, der Aggression oder Wut, oder ein Gefühl von Ohnmacht. Diese Gefühle und Gedanken können vollkommen unbewusst ablaufen. Um diesen Zustand schließlich ertragen zu können, entwickelt sich dann ein Symptom. Und dieses Symptom ist die Langeweile.
Die Chance in der Langeweile
Anders gesagt, die Langeweile gibt uns einen Hinweis, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Dass ein unangenehmer Konflikt im Verborgenen schlummert. Was wir dann tun müssen ist dann eben nicht, uns davon abzulenken, sondern dieses Gefühl zuzulassen und etwas auszuhalten. Meist kommt dann Ärger oder Wut auf, der sich zunächst auf die eigene Person richtet. Wenn man sich diesen Mechanismus jedoch bewusstmacht, dann kann man schnell erkennen, dass sich die Wut oder ein negativer Gedanke nach Außen richtet. Dies ist bei Kindern genauso. Wenn sie sich langweilen, steckt meist ein Bedürfnis dahinter, dass sie in einem jeweiligen Moment nicht zeigen können. Statt also dem Kind irgendetwas anzubieten, sollte man es eher darin unterstützen, sein eigentliches Bedürfnis zum Ausdruck zu bringen.
Langeweile und kreative Indifferenz
Was noch hinzu kommt: in dem Moment, in dem ein Kontakt mit der Umwelt wiederhergestellt ist, wird auch die eigene Kreativität angeregt. Dann sprechen wir nicht mehr von Langeweile, sondern von kreativer Indifferenz, Dies ist ein Zustand, in dem sich ein Organismus sozusagen „schwebenderweise“ in einer neutralen Mitte befindet, um dann durch Ausprobieren, Zustimmen und Verwerfen etwas Kreatives in Gang zu setzen. Das kann man bei Kindern wunderbar bei ihrem Spiel beobachten. Da kann keine Langeweile aufkommen.
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