„Worauf läßt sich die unterschiedliche Intensität unserer Emotionen zurückführen? #Spinoza 7 Teil 1“

Wir beschäf­ti­gen uns mit der Fra­ge, wor­auf die Stär­ke von Emo­tio­nen zurück­zu­füh­ren ist und wel­che Kon­se­quen­zen dies für unser Ver­hal­ten hat.

Fort­set­zung des Kapitels:

Über die Macht der Erkennt­nis, oder die mensch­li­che Frei­heit

Fünf­ter Lehrsatz

Der Affekt gegen ein Ding, das wir uns schlecht­hin vor­stel­len, also weder als not­wen­dig noch als mög­lich noch als zufäl­lig, ist, bei sonst glei­chen Umstän­den, unter allen Affek­ten der stärks­te.

In sei­nem fünf­ten Lehr­satz setzt sich Spi­no­za mit dem Pro­blem aus­ein­an­der, dass Emo­tio­nen nicht allein aus sich selbst her­aus zu ver­ste­hen sind, son­dern bestimm­ten Abhän­gig­kei­ten unter­lie­gen. Die­se Fra­ge­stel­lung ist inso­fern äußerst zeit­ge­mäß, als die moder­ne Psy­cho­lo­gie noch kei­ne wirk­li­che Ant­wort auf die Tat­sa­che gefun­den hat, dass Emo­tio­nen bei ver­schie­de­nen Indi­vi­du­en sehr unter­schie­lich aus­fal­len kön­nen und auch inner­halb eines Indi­vi­du­ums je nach Situa­ti­on und Bewer­tung der Situa­ti­on variee­ren kön­nen. Dies stellt eine schwie­ri­ge Hür­de in der expe­ri­men­tel­len Erfor­schung die­ser Phä­no­me­ne dar. 

Es gibt in der Neu­ro­psy­cho­lo­gie aller­dings die von vie­len geteil­te Annah­me, dass Emo­tio­nen zwar einer­seits ange­bo­ren sind, zum ande­ren aber von der jewei­li­gen Lern­ge­schich­te einer Per­son abhän­gen. Die­se Lern­ge­schich­te ist einer­seits als indi­vi­du­ell zu betrach­ten, ander­seits aber auch kul­tu­rel­len Fest­le­gun­gen unter­wor­fen. Inter­es­sant ist dabei auch die unter­schied­li­che Wort­wahl für bestimm­te Emo­tio­nen: was wir als „Trau­rig­keit“ bezeich­nen kann in einer ande­ren Kul­tur völ­lig anders beschrie­ben wer­den; in der tahi­ti­schen Kul­tur kommt die­sem Gefühl am ehes­ten die Beschrei­bung „die Art von Müdig­keit, die du fühlst, wenn du erkäl­tet bist“ nah. So spricht man heu­te auch von „emo­tio­na­len Kon­zep­ten“, die gelernt werden.

Wenn wir also von gelern­ten „Emo­ti­ons­kon­zep­ten“ spre­chen, dann kön­nen wir auch die Annah­me unter­stüt­zen, dass wir in der Lage sind, neue Kon­zep­te in der Gegen­wart zu ent­wi­ckeln, um uns für die Zukunft beim Umgang mit und bei der Ein­schät­zung von unse­ren Gefüh­len eine grö­ße­re Band­brei­te zuzu­le­gen. Dies wür­de bedeu­ten, dass wir bes­ser zwi­schen unter­schied­li­chen Nuan­cen einer Emo­ti­on dif­fe­ren­zie­ren kön­nen, was wie­der­um zu einer bes­se­ren bzw. erwei­ter­ten Hand­lungs­fä­hig­keit führt. 

Ein prak­ti­sches Bei­spiel ist die Ein­schät­zung des eige­nen Schmerz­emp­fin­dens. Ist jemand dabei in der Lage, sei­ne Schmer­zen mit Wor­ten – wich­tig ist, auf unter­schied­li­che Begrif­fe zugrei­fen zu kön­nen – zu unter­tei­len in „Unbe­ha­gen“ bis zur „Ver­zweif­lung“, dann kann das bei der Bewäl­ti­gung der Schmerz­si­tua­ti­on hilf­reich sein. Vor allem in medi­ta­ti­ven Zustän­den kön­nen sol­che Unter­schei­dun­gen gut „geübt“ wer­den. Unse­re Übungs­emp­feh­lung am Ende die­ses Bei­trags­rei­he baut dar­auf auf.

Im nächs­ten Teil kom­men wir auf Spi­no­za zurück und beschrei­ben, wel­cher Stel­len­wert sei­nen Annah­men u.a. für das oben beschrie­be­ne zukommt und wel­che Kon­se­quen­zen sich dar­aus ergeben.

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