Um den Begriff des „Selbst“ zu verstehen, können wir ihn auch von zusammengesetzten Begriffen, in denen das Wort „Selbst“ vorkommt, abgrenzen:
Beispiele sind:
1. Das „Selbst-Konzept“: Ein Konzept des eigenen Selbst hat man, wenn man Ideen darüber entwickelt, wer man ist und wenn man wiederkehrende Verhaltensweisen erwirbt, die zu einem selbst „passen“ – oder
2. Das „Selbst-Ideal“: Hier entwickelt man Ideen darüber, wie man selbst sein möchte bzw. gerne wäre – und man eignet sich das dazu „passende“ Verhalten an – oder
3. Das „Falsche Selbst“: ein falsches Selbst zeigt sich dadurch, dass jemand in seinem Verhalten nicht authentisch ist bzw. sein Selbst-Konzept ausschließlich vor dem Hintergrund entwickelt, akzeptiert oder geliebt zu werden – oder
4. Das „Grandiose Selbst“: ein Selbst neigt dann dazu, „grandios“ zu werden, wenn jemand unerwünschte Verhaltensweisen oder fehlerhaftes Verhalten aus einem Selbst-Konzept ausklammert oder einseitig zu seinen Gunsten auslegt – oder
5. Das „Wahre Selbst“: hiervon kann man sprechen, wenn es jemandem gelingt, ein einheitliches Selbst-Konzept, das auch widersprüchliche Anteile beinhaltet, entwickelt und wenn er dies dauerhaft und verlässlich nach außen zeigen kann – oder schließlich
6. Das „Fragmentierte Selbst“: dies entwickelt sich eben dann, wenn kein einheitliches Selbst-Konzept zur Verfügung steht, wenn bestimmte Wahrnehmungen von der Person ignoriert oder verfälscht werden und eine konstante Selbst-Darstellung nach außen nicht gelingt
Nach A. GRUEN wird das Selbst als der Kern der Person verstanden, der seine wahren Gefühle und Bedürfnisse zum Ausdruck bringt. In diesem Zusammenhang sieht er das Konzept der Autonomie als besonders wichtig an. „Autonomie“ wird hier verstanden als die Möglichkeit, diese Gefühle und Bedürfnisse frei zum Ausdruck bringen zu können; es wird also deutlich unterschieden vom Konzept der „Unabhängigkeit“. Gefördert wird Autonomie (d.h. „freier Selbstausdruck“) durch die frühe Erfahrung der Spiegelung durch die Mutter (den „Blick der Mutter“). Dieser wiederum aber ist nur möglich, wenn die Mutter selbst über genügend Selbst-Achtung, bzw. über eigene Autonomie verfügt. Mir gefällt an dieser Sichtweise nicht so ganz die Idee eines Selbst als eines „Kerns“. Das nämlich klingt schon wieder zu sehr nach einem „Ding“, das sich irgendwo ganz tief in uns verbergen würde (siehe oben).Interessant ist aber die Idee der ENTWICKLUNG des Selbst: nämlich durch den Blick der Mutter (oder der relevanten Bezugsperson(en) in ungefähr den ersten drei Lebensjahren), der jeweils die Achtung oder Mißachtung ihrer eigenen Eltern wiederspiegelt und somit auf das Kind übertragen wird. Durch das DU der Mutter (oder der relevanten Bezugsperson) lernt das Kind ICH SELBST sagen.
So dir im Auge wundersam sah ich mich selbst entstehen. (F. HEBBEL)