In seinem dritten Lehrsatz beschäftigt Sich Spinoza mit der Frage, was genau negative Gefühle aufrecht erhält, wie diese Affekte mit unseren Gedanken bzw. geistigen Vorstellungen verbunden sind und schließlich, wie wir diese negativen Affekte überwinden können.
Dabei ist die Klarheit und Einfachheit seiner These und die Begründung herausragend – manchmal ist es eben wirklich so, dass das Schwierige in seinem Kern oft sehr einfach ist, ohne dass sich der Wert der Aussage dadurch vermindern würde.
Fortsetzung des Kapitels:
Über die Macht der Erkenntnis, oder die menschliche Freiheit
Dritter Lehrsatz
Ein Affekt, der ein Leiden ist, hört auf, ein Leiden zu sein, sobald wir eine klare und deutliche Idee von ihm bilden.
Als erstes müssen wir uns auch hier wieder klarmachen, dass Affekte nie ohne Gedanken bzw. geistige Vorstellungen existieren. Es ist immer wieder wichtig, sich dieser ganzheitlichen Sichtweise bewußt zu werden: Spinoza sagt uns, dass ein negativer Affekt – wie z.B. Haß oder Eifersucht – nur im Zusammenhang mit einer Idee in Erscheinung treten kann und weiter, dass diese Idee oder Vorstellung immer eine „verworrene“ Vorstellung ist. Heute in der modernen Verhaltensforschung würden wir von einem „unangemessenen Gedanken“ sprechen. Nur dadurch, dass diese Vorstellung unangemessen ist, kann ein negativer Affekt entstehen.
Ein Beispiel: wenn ich übertrieben eifersüchtig auf meinen Partner bin, dann kann ich bei näherer Selbstanalyse schnell dahinter kommen, dass mein eigener Selbstwert gerade geschwächt ist und ich mich mit negativen Selbsteinschätzungen abwerte. Dies tue ich z.B. dadurch, dass ich mich mit einem Rivalen oder Konkurrenten (scheinbar oder echt) vergleiche und dabei „den Kürzeren“ ziehe. Auch wenn ich dabei feststellen sollte, dass der Andere mir gegenüber viele Vorteile hat, so ist dennoch ein übertriebenes Eifersuchtsgefühl unangemessen, denn ich sollte meine Selbstliebe niemals von so etwas abhängig machen: ein angemessener Gedanke wäre sich zu sagen, dass man trotzdem in seinem Selbstwert unangetastet bleibt und liebenswert ist – bei allen Schattenseiten, die da sein mögen.
Umgekehrt schlußfolgert Spinoza also, dass in dem Maße, wie wir die unangemessenen Gedanken (oder die „verworrene Idee“) in eine klare und deutliche Idee (oder angemessene Gedanken) verwandelt haben, auch der negative Affekt nachlassen und dann ganz verschwinden wird. Er sagt als Zusatz zum Dritten Lehrsatz:
Ein Affekt steht daher desto mehr in unserer Gewalt, und der Geist leidet desto weniger von ihm, je bekannter er uns ist.
Die Schwierigkeit liegt hier also nicht in der Kompliziertheit der Erklärung, sondern in der Umsetzung. Der Aufbau einer „neuen Idee“, bzw. einer angemessenen Beurteilung der Situation ist immer mit großer Anstrengung verbunden. Darauf werden wir an anderer Stelle näher eingehen.
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