Gegenwärtig stehen sich zwei Krisenherde einander gegenüber. Zum einen der Corona-Virus mit allen medizinischen Folgen, zum anderen die wirtschaftlichen Folgen für unser Land. Hier stellt sich immer mehr die Frage, wie schnell und unter welchen Bedingungen Gelder an Unternehmen und BürgerInnen ausgezahlt werden. Erreichen uns die versprochenen Zuschüsse und Kredite rechtzeitig? Was ist überhaupt rechtzeitig? Und wer fällt eventuell durch das Raster der berechtigten Empfänger? Dies ist psychologisch gesehen eine interessante Situation. Denn je nachdem wie der Staat in der Lage und willens ist, großzügig, schnell und unbürokratisch zu handeln, desto mehr wird die Einstellung des Bürgers bzw. der Bürgerin sich zum Positiven oder eben zum Negativen hin entwickeln. Entweder fühlen wir uns gesehen und anerkannt – oder wir werden enttäuscht sein und uns ungerecht behandelt fühlen. Das Gefühl der Ungerechtigkeit wird sich vor allem daran festmachen, ob bestimmte Bevölkerungsgruppen anderen vorgezogen werden. An dieser Stelle entscheidet sich, wie die Beziehung der BürgerInnen zum Staat in Zukunft aussehen wird.
Um die Implikationen dieses Problems besser verstehen zu können, müssen wir die Art der Beziehung zwischen Bürger/In zum Staat definieren. Ich schlage dazu folgende, einfache Unterscheidung vor: entweder wir empfinden diese Beziehung als eine Vertrauensbeziehung oder als eine Misstrauensbeziehung (eine Beziehung, die eher von Vertrauen oder Misstrauen geprägt ist). Wir können konstatieren, dass in „normalen Zeiten“ die Beziehung eher von Misstrauen geprägt ist. Dies ist ein Grundproblem unserer Gesellschaft. Jedoch haben sich alle irgendwie daran „gewöhnt“; man weiß was auf einen zukommt, wenn man Hartz 4, Grundsicherung oder einen Überziehungskredit bei der Bank beantragt. Ein herausragendes Beispiel sind natürlich auch die Finanzämter mit ihrer Art und Weise, die Steuereinnahmen zu kontrollieren. Der Philosoph Peter Sloterdijk hat in diesem Zusammenhang einmal vorgeschlagen, Steuern auch auf freiwilliger Basis zu erheben. Dies wäre ein interessantes Experiment.
Jetzt in der gegenwärtigen Krise spitzt sich diese Frage der Art der Beziehung zum Staat zu. Jetzt wird deutlich, wer am ehesten in der Lage ist, die Krise einigermaßen unbeschadet zu überstehen: natürlich sind das die Bevölkerungsgruppen, die finanziell über ein ausreichendes Polster verfügen und denen eventuelle Verluste nicht so weh tun, wie denjenigen, die über keine Ersparnisse verfügen oder die ihre Ersparnisse für andere existentielle Dinge brauchen, z.B. ihre Rente. Die Ungerechtigkeit wird auch deutlich an der Stelle, wenn man die Hilfe für Großunternehmen und den „kleinen Mann“ vergleicht. Unternehmen werden sehr großzügig behandelt; der Staat ist sogar bereit, sich vorübergehend an einem Unternehmen zu beteiligen. Ist er denn auch bereit, sich an den Unternehmungen eines Taxifahrers, einer selbständigen Kosmetikerin oder eines Kellners/In zu beteiligen? Doch wohl eher nicht. Hier genau scheiden sich jetzt die Geister. Falls viele Menschen ihren Job verlieren oder ihre Ersparnisse, falls viele Kleinunternehmen insolvent gehen oder falls diejenigen, die von nicht versteuerten Trinkgeldern gelebt haben ihre Miete nicht bezahlen können, werden sich die Menschen noch mehr von der Politik (= vom Staat) abwenden.
Notwendig ist also jetzt ein radikales Umdenken. Gerade diejenigen, die es am meisten brauchen, müssen völlig unbürokratisch und sehr schnell mit Geld versorgt werden. Dies wird ja auch so kolportiert. Frage bleibt aber, wie die reale Umsetzung jetzt und in Zukunft aussehen wird. Pessimismus ist angebracht.
Folgende Forderungen könnten gestellt werden:
1. Großunternehmen und Einzelpersonen werden vom Prinzip her gleich behandelt. Das bedeutet vor allem auch, dass der Möglichkeit Rechnung getragen wird, dass es Mitnahmeeffekte gibt: Unternehmen könnten das Geld dazu verwenden, um ihren Managern Boni auszuzahlen. Der Einzelne könnte bei der Beantragung falsche Angaben machen. Beides muss gleich toleriert werden.
2. Die Beantragung muss so leicht wie möglich sein; ein Formular hat maximal zwei Seiten.
3. Wer keine Bescheinigungen (z.B. Einkommenssteuernachweis) erbringen kann, bekommt den Zuschuss trotzdem.
4. Bei Einzelpersonen und Kleinunternehmern wird auf eine Rückzahlung verzichtet.
5. Vergebene Kredite dürfen nur mit einem Zins von 0,5 {52a5aacb8edfc4d6fd03ccc01e8bae35541ad5c717fd227bb04a169c580cf690} vergeben werden. Die Rückzahlung darf 20 Jahre lang sein (solange wie der Staat angekündigt hat, seinen eigenen Kredit abzuzahlen).
6. Vergebene Zuschüsse dürfen nicht mit späteren Sozialleistungen verrechnet werden.
7. Diejenigen, die jetzt die größte Last tragen (Verkäufer/innen, Pfleger/innen etc.) bekommen sofort einen Anerkennungsbonus. Sie werden auch nach der Krise entsprechend höher bezahlt. Um die Kosten aufzubringen, wird ein Solidaritätsfond für Reiche und Superreiche eingeführt (auf freiwilliger Basis).
Wahrscheinlich fallen Ihnen noch andere Forderungen ein, die die Beziehung zwischen Bürger/in und Staat in eine Vertrauensbeziehung verwandeln helfen.