In diesem Beitrag geht es um Gedanken und Gefühle und in welchem Zusammenhang sie zueinander stehen. Wir beschäftigen uns in der Reihe „Hilfe zur Selbsthilfe nach Spinoza“ mit seinem 6. Lehrsatz aus dem 5. Teil seiner „Ethik“ („Über die Macht der Erkenntnis, oder die menschliche Freiheit“). Spinoza bezieht sich hier auf die grundsätzliche Einsicht, dass alle Dinge in einem Wirkungszusammenhang stehen und nicht unabhängig voneinander existieren. Dies bezieht sich eben auch auf innere Vorgänge beim Menschen, wie sie uns als Wahrnehmungen, sei es gedanklicher, gefühlsmäßiger oder körperlicher Natur, erscheinen.
Sechster Lehrsatz
Sofern der Geist alle Dinge als notwendige erkennt, insofern hat er eine größere Macht über die Affekte oder leidet er weniger von ihnen.
Der herausragende Punkt dieses Lehrsatzes, der vor allem für das menschliche Verhalten von Bedeutung ist, besteht darin, dass der Mensch sich bewusst machen kann, dass er ein Bewusstsein hat. Dies mag zunächst trivial klingen. Bei näherer Betrachtung jedoch wird klar, dass diese These nicht selbstverständlich ist. Denn oft ist es so, dass Menschen sich eben nicht bewusst mit ihren inneren Vorgängen, die letztlich ja die Voraussetzungen für das eigene Handeln darstellen, auseinandersetzen.
So ist es auch mit den eigenen Gedanken. Sie können gleichsam „bewusstlos“ in uns ablaufen, ohne dass wir ihnen irgendeine Art von Aufmerksamkeit schenken. Sie können aber auch von uns reflektiert werden. Dies ist der entscheidende Unterschied, der zu dem führt was wir Erkenntnis nennen. Wir erlangen Erkenntnis über uns selbst und unsere Beziehung zur Umwelt dadurch, dass wir einen Erkenntnisgewinn erzielen. Und dieser Erkenntnisgewinn besteht im 6. Lehrsatz von Spinoza darin, dass wir „alle Dinge als notwendig erkennen“. Der entscheidende „Vorteil“ dieser Sichtweise besteht darin, dass wir mit der Erkenntnis der Notwendigkeit mehr Wirkungsmacht für unser Handeln erzielen. Wir sind nicht mehr so ausgeliefert; wir können etwas gegen Hilflosigkeitsgefühle und Ohnmacht tun.
Beispiel für den Zusammenhang zwischen Gedanken und Gefühlen
Ein Beispiel für diesen Zusammenhang ist die Auseinandersetzung mit dem Tod. Insofern wir ihn als notwendig erkennen, wird unserer Angst gleichsam eine Grenze gesetzt. Sie muss uns nicht mehr ausufernd überschwemmen, denn etwas Notwendiges kann eher von uns akzeptiert und anerkannt werden. Interessant in diesem Zusammenhang ist das Aufkommen narzisstisch geprägter Ideen und Vorstellungen über ein „ewiges Leben“, das wir zum Beispiel durch Übertragung unserer „Seele“ (= Gehirnaktivitäten) auf ein künstlich geschaffenes Medium zu erreichen versuchen. Einige Milliardäre neigen dazu, sich solchen Vorstellungen hinzugeben und leugnen damit die Tatsache des Todes als einer Notwendigkeit. Wir können also davon ausgehen, dass diese Menschen letztlich mehr Angst empfinden werden als umgekehrt (weniger Angst, da ja der Tod „besiegt“ werden könnte).
Schließlich wird auch nachvollziehbar, dass die Erkenntnis der Notwendigkeit aller Dinge auch unsere Emotionen beeinflussen muss (s.o.). Diese sind nicht mehr so unkontrollierbar, und wir müssen somit auch nicht mehr so unter ihnen leiden. Dies ist vor allem auch beim Umgang mit oder bei der Behandlung von Angststörungen und Panikattacken bedeutsam. Denn die Angst ist eine unmittelbare Folge der fehlenden Erkenntnis über Zusammenhänge, die bei dem betroffenen Menschen als etwas Notwendiges vorhanden sind, über die er sich aber noch keine Rechenschaft abgelegt hat. Kann er aber seine Ängste in diese notwendigen Zusammenhänge einordnen bzw. integrieren, dann werden sich diese in andere, erträglichere Emotionen umwandeln (z.B. in Wut, Trauer oder Liebe).